Offener Brief an die EU-Kommission für glaubwürdige Sustainable Finance-Regeln

Die EU-Taxonomie ist ein wesentlicher Bestandteil des „EU Action Plan on Sustainable Finance“ und verfolgt das Ziel, die ökologische Nachhaltigkeitsleistung von wirtschaftlichen Tätigkeiten zu klassifizieren. Ziel ist es, Transparenz und Orientierung für nachhaltig ausgerichtete Geldströme zu schaffen und damit Investitionen in zukunftsfähige Geschäftsfelder zu fördern. 

Die Offenlegung von Unternehmensdaten entlang der EU-Taxonomie ist die Basis für mehr Transparenz darüber, welche Unternehmen nachhaltig für Umwelt und Gesellschaft handeln und damit auch im wirtschaftlichen Sinne zukunftsfähig sind. Eine standardisierte Berichterstattung ermöglicht es, die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft nachzuvollziehen, Risiken gezielt zu minimieren und Chancen effizient zu nutzen. Diese Transparenz ist essentiell, um die sozial-ökologische Transformation zu meistern. Für Finanzinstitutionen und Anleger*innen bedeutet das zudem, dass sie so die Möglichkeit haben, Kapital bewusst in grüne und transformative Aktivitäten und Finanzprodukte zu lenken.

Leider ist die Taxonomie intensivem Lobbying ausgesetzt und droht, seine auf wissenschaftlich-fundierte Grundlagen gestützte Glaubwürdigkeit zu verlieren. Im Fokus stehen dabei vor allem die Bereiche der Stromerzeugung aus Erdgas und Atomenergie sowie Forst- und Landwirtschaft.

Die wichtigsten Entwicklungen zur EU-Taxonomie im Überblick: 

  • Im November 2020 hat die EU-Kommission in einem ersten Entwurf Richtwerte für Nachhaltigkeit im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung veröffentlicht. Diese CO2-Emissionswerte waren hier so eng gefasst, dass Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern, darunter auch Erdgas, nicht als nachhaltig qualifiziert werden konnte. Auch nukleare Energie wurde de facto ausgeschlossen.
  • Im März 2020 folgte ein überarbeiteter Gesetzentwurf, der Schlupflöcher für die Energieerzeugung aus Gas enthielt und auch in weiteren Bereichen, wie Forstwirtschaft und Energie aus Biomasse, von klimawissenschaftlichen Erkenntnissen abwich. Dies erfolgte nach deutlicher Positionierung von Industrieverbänden sowie von EU-Mitgliedsstaaten, deren Energieerzeugung auf Erdgas angewiesen ist oder sein wird – darunter auch Deutschland, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der GRÜNE Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl deutlich wird (s. Frage 44 https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19217.pdf).
  • Die Reaktionen auf die abgeschwächten Kriterien fielen heftig aus. Eine Reihe von Expert*innen der EU-Kommission zu Sustainable Finance haben ihr beratendes Mandat niedergelegt, weil sie ihre wissenschaftliche Glaubwürdigkeit und die Integrität der EU-Taxonomie untergraben sahen. 
  • Gemeinsam haben auch der GRÜNE Europaabgeordnete Sven Giegold und ich ein Protestschreiben an die EU-Kommission verfasst, in dem wir wissenschaftsbasierte Kriterien für Nachhaltigkeit sowie den Ausschluss von Atomenergie und von Energie aus fossilen Brennstoffen aus der EU-Taxonomie fordern.
    Diesen offenen Brief haben über 1.400 Menschen mitunterzeichnet! Ihr könnt ihn in voller Länge hier lesen: https://actionnetwork.org/petitions/offener-brief-sustainable-finance 
  • Im April 2020 hat die EU-Kommission – auch als Resultat des Gegenwinds – kontroverse Bereiche aus dem legislativen Vorschlag gestrichen. Die Nachhaltigkeit von Erdgas und Atomenergie sowie die Themen Forst- und Landwirtschaft werden nun Gegenstand eines separaten Gesetzesvorschlags sein, der bis Ende dieses Jahres vorliegen soll. Das ist ein Teilerfolg, doch die Integrität der EU-Taxonomie ist weiterhin bedroht.

Ich fordere die Bundesregierung auf, auf europäischer Ebene klare Position für die nachhaltige Ausrichtung des Finanzwesens zu beziehen, sich in Abstimmungen nicht mehr zu enthalten und sich laut und deutlich dagegen zu stellen, dass Energie aus fossilen Brennstoffen und der Raubbau an unseren Wäldern als nachhaltig deklariert werden darf. 

Um die Transformation für den Wirtschaftsstandort Deutschland erfolgreich voranzubringen, brauchen wir klare, wissenschaftsbasierte Regeln für die Klassifizierung von Nachhaltigkeit in Finanz- und Realwirtschaft! Dies schafft Planungs- und Erwartungssicherheit für alle Akteur*innen und fördert das Vertrauen in den demokratischen Prozess zur Erreichung nachhaltiger Politikziele.


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